Prognose und Lebenserwartung beim Multiplen Myelom: Was beeinflusst den Krankheitsverlauf?
Gut zu wissen: Prognose und Lebenserwartung beim Multiplen Myelom
Das Multiple Myelom (MM) ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks, die individuell sehr unterschiedlich verläuft. Dank moderner Diagnose- und Therapiemethoden hat sich die Prognose vieler Patienten in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dennoch bleibt die Erkrankung in den meisten Fällen nicht heilbar. In diesem Artikel erklären wir, welche Faktoren die Prognose beeinflussen, welche Rolle genetische Marker spielen und welche Bedeutung die minimale Resterkrankung (MRD) hat.
Das revidierte Internationale Staging System (R-ISS)
Um die Prognose besser einschätzen zu können, wird das Multiple Myelom mithilfe des International Staging System (ISS) und der erweiterten Version, dem revidierten ISS (R-ISS), in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt. Diese Klassifikation hilft, den Verlauf der Erkrankung besser abzuschätzen.
Einteilung des R-ISS:
Stadium I:
Beta-2-Mikroglobulin < 3,5 mg/l und
Serum-Albumin ≥ 3,5 g/dl und
Standardrisiko in der Zytogenetik und
Normale LDH-Werte
Stadium II:
Weder Stadium I noch III
Stadium III:
Beta-2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/l
und
Hochrisikogene Zytogenetik (z. B. t(4;14), t(14;16), del(17p)) oder erhöhte LDH-Werte
Diese Einteilung liefert wertvolle Hinweise auf den zu erwartenden Krankheitsverlauf, steuert die Therapie jedoch bislang kaum. Eine Ausnahme bildet die Empfehlung zur Tandem-Transplantation bei Hochrisikopatienten.
Genetische Marker und Hochrisikogruppen beim Multiplen Myelom
Genetische Veränderungen haben einen großen Einfluss auf die Prognose. Die International Myeloma Society (IMS) hat 2024 ihre Empfehlungen zur Hochrisikoeinschätzung aktualisiert. Besonders kritisch sind folgende genetische Veränderungen:
- Deletion 17p (del(17p)) in mehr als 20 % der sortierten Plasmazellen
- TP53-Mutationen (unabhängig von der Allelfraktion)
- Biallelische Deletion von 1p32
- Translokationen t(4;14), t(14;16) und t(14;20) in Kombination mit einem Zugewinn von 1q oder einer monoallelischen Deletion von 1p32
- Zugewinn von Chromosom 1q in Kombination mit einer Deletion von 1p32 oder den genannten Translokationen
Diese Kombinationen genetischer Veränderungen definieren ein besonders hohes Risiko (“Double-Hit-Myelom”) und sind mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden. Bisher beeinflussen diese Marker die Therapieentscheidung jedoch kaum. Künftig könnten sie jedoch stärker in personalisierte Behandlungsstrategien integriert werden.
Die Rolle der minimalen Resterkrankung (MRD) beim Multiplen Myelom
Die minimale Resterkrankung (MRD) beschreibt das Vorhandensein von Resttumorzellen, die mit herkömmlichen Methoden nicht nachweisbar sind. Moderne Techniken wie Next Generation Sequencing (NGS), Durchflusszytometrie oder Massenspektrometrie ermöglichen den Nachweis dieser kleinsten Zellmengen.
MRD-Negativität (kein Nachweis von Tumorzellen) korreliert mit einer deutlich längeren Überlebenszeit.
Eine anhaltende MRD-Negativität (mindestens 12 Monate) ist ein besonders positiver Prognosefaktor.
Derzeit hat die MRD-Analyse noch keinen direkten Einfluss auf die Therapiesteuerung, könnte aber in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen.
Einfluss auf die Therapie
Trotz dieser prognostischen Marker beeinflussen Risikofaktoren aktuell nur eingeschränkt die Therapieentscheidungen:
Standardtherapie: Die meisten Patienten erhalten unabhängig von genetischen Risikofaktoren ähnliche Therapien.
Tandem-Transplantation: Hochrisikopatienten können von einer doppelten Stammzelltransplantation profitieren.
Zukunftsperspektive: MRD-Ergebnisse könnten künftig dazu genutzt werden, Therapiedauer und -intensität anzupassen.
Prognose und Lebenserwartung beim Multiplen Myelom
Dank neuer Therapieansätze, darunter zielgerichtete Medikamente und Immuntherapien, hat sich die Prognose des Multiplen Myeloms in den letzten Jahren deutlich verbessert:
- Stadium I (R-ISS): Medianes Überleben von 8-10 Jahren
- Stadium II (R-ISS): Medianes Überleben von 5-7 Jahren
- Stadium III (R-ISS): Medianes Überleben von 3-5 Jahren
Diese Zahlen sind Richtwerte. Individuelle Faktoren wie Alter, allgemeiner Gesundheitszustand und Therapieansprechen spielen eine entscheidende Rolle.
Ist das Multiple Myelom heilbar?
Das Multiple Myelom gilt derzeit als nicht heilbar, doch enorme Fortschritte in der Forschung und Therapie haben die Behandlungsmöglichkeiten erheblich verbessert. Moderne Therapien wie Immuntherapien (z. B. CAR-T-Zell-Therapien, bispezifische Antikörper) und zielgerichtete Medikamente (wie zum Beispiel Antikörper-Wirkstoff-Konjugate) ermöglichen es, die Krankheit bei vielen Patienten über Jahre zu kontrollieren.
Einige Patienten erreichen durch intensive Behandlungsstrategien und das Erreichen einer anhaltenden MRD-Negativität eine sehr tiefe Remission. Experten diskutieren, ob dies langfristig einem funktionellen Heilungszustand gleichkommen könnte. Derzeit ist es jedoch nicht möglich, von einer vollständigen Heilung zu sprechen.
Forschungen konzentrieren sich darauf, Therapien gezielter einzusetzen, um Patienten eine dauerhafte Krankheitskontrolle zu ermöglichen. Neue Studien untersuchen zudem, ob Behandlungsstrategien basierend auf MRD-Status die Prognose weiter verbessern können.
Zusammenfassung
Die Prognose beim Multiplen Myelom hängt von vielen Faktoren ab, darunter genetische Marker und die minimale Resterkrankung. Das revidierte Internationale Staging System (R-ISS) hilft, das individuelle Risiko einzuschätzen. Trotz der identifizierten Hochrisikomarker steuern diese bislang nur begrenzt die Therapie. Mit neuen Erkenntnissen, insbesondere zur MRD, könnte sich dies in Zukunft ändern. Ziel bleibt es, die Therapien noch individueller und zielgerichteter einzusetzen, um die Lebensqualität und Überlebenszeit weiter zu verbessern.
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Quellen
Onkopedia Leitlinien: Multiples Myelom Link
International Myeloma Working Group (IMWG) Link
Müller, T. Double-Hit – dann ist die Prognose ungünstig. InFo Hämatol Onkol 27, 47 (2024). https://doi.org/10.1007/s15004-024-0756-1 Link zum Artikel
Landgren O et al. EVIDENCE meta-analysis: evaluating minimal residual disease as an intermediate clinical end point for multiple myeloma. Blood. 2024 Jul 25;144(4):359-367. doi: 10.1182/blood.2024024371. PMID: 38768337; PMCID: PMC11418064. Link zum Abstract
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